Fit für die Zukunft – auf der Überholspur mit KV4.0

22.10.2024 von Rebecca Pozzoli Reportage

KV4.0 ist ein neues Ausbildungsmodell, das motivierte KV-Lernende gezielt auf den Arbeitsmarkt von morgen vorbereitet. In einem zusätzlichen Praxisjahr werden gefragte Kenntnisse in Fremdsprachen, Projektmanagement und Informatik praxisorientiert erweitert. Fabienne Bischofberger, KV-Lernende bei der Bühler Group, hat die Gelegenheit beim Schopf gepackt.

Gruppenbild in Schneelandschaft

KV4.0 ist ein neues Ausbildungsmodell, das motivierte KV-Lernende gezielt auf den Arbeitsmarkt von morgen vorbereitet. In einem zusätzlichen Praxisjahr werden gefragte Kenntnisse in Fremdsprachen, Projektmanagement und Informatik praxisorientiert erweitert. Fabienne Bischofberger, KV-Lernende bei der Bühler Group, hat die Gelegenheit beim Schopf gepackt.

Die Dienstleistungsbranche durchläuft einen tiefgreifenden Strukturwandel. Neue Geschäftsmodelle wie Online-Handel und Sharing Economies erfordern zukunftsfähige Kompetenzen, denn mit vielen traditionellen Ansätzen lässt sich heute kein Rennen mehr gewinnen. Das Angebot KV4.0 reagiert auf diese Entwicklung, indem es Lernenden während eines zusätzlichen Praxisjahrs zentrale Fähigkeiten wie Auftrittskompetenz, digitale Skills sowie Fertigkeiten in Kommunikation und Projektmanagement vermittelt. Teilnehmen können motivierte KV-Lernende aus der ganzen Schweiz, die im 1. Lehrjahr einen Notenschnitt von mindestens 4-5 vorweisen und in einem Lehrbetrieb lernen, welcher das Praxisjahr unterstützt. Urs Thoma, Geschäftsführer des Vereins KV4.0, legt Lernenden, wie beispielsweise Fabienne Bischofberger, das Programm wärmstens ans Herz.

Fabienne: «Ich absolviere meine Lehre bei der Bühler Group in Uzwil. Zusätzlich zu meiner Ausbildung arbeite ich im Vorstand der Bühler Lernendenvereinigung. In meiner Freizeit engagiere ich mich im Leitungsteam des Blauring Wil-Bronschhofen. Schon vor Lehrbeginn wusste ich, dass Bühler mich beim KV4.0 unterstützen würde. Seither habe ich mit dem Gedanken geliebäugelt, von diesem tollen Angebot Gebrauch zu machen.»

Durchstarten dank integrierter Praxiserfahrung

Wer die Bedingungen erfüllt, darf sich im Anschluss an das 2. Lehrjahr – mit etwas Glück – auf das innovative Praxisjahr mit beruflichem Perspektivenwechsel, Praxisprojekt, Auslandsaufenthalt und nicht zuletzt einem Praktikumslohn freuen. In «Onboardings» (Vorbereitungsphasen) werden die Lernenden speziell auf diese Elemente des KV4.0 vorbereitet. Nach erfolgtem Praxisjahr wird die Lehre mit dem 3. Lehrjahr normal fortgesetzt und abgeschlossen. Das detaillierte Praxiszeugnis, das die Teilnehmenden zusätzlich zum eidg. Fähigkeitszeugnis erhalten, verhilft ihnen zu einer erstklassigen Startposition beim Einstieg in ein erfolgreiches Berufsleben.

«Dass ich durch das Praxisjahr ein Jahr länger in der Ausbildung bin, ist keine grosse Sache für mich. Die meisten Lernenden bei der Bühler Group durchlaufen 4-jährige Berufslehren. Ich schliesse also mit einem Grossteil meiner Kolleginnen und Kollegen ab. Ausserdem bin ich im 3. Lehrjahr in einer Schulklasse mit den anderen Teilnehmenden des Praxisjahrs, die ich alle sehr gut kenne und gerne mag.»

Fabienne Bischofberger

Optimal vorbereitet

Vor jedem der drei Themenblöcke findet ein passendes Onboarding statt, um die Jugendlichen auf die verschiedenen Elemente von KV4.0 vorzubereiten und ihnen die essentiellen «Kompetenzen der Zukunft» zu vermitteln. So werden vor dem Auslandaufenthalt unter anderem landesspezifische «Do’s and Don’ts» sowie kulturelle Unterschiede zwischen der Schweiz und Irland beleuchtet.

«Am besten hat mir ein gemeinsamer Ausflug im Rahmen eines Onboardings gefallen. Wir sind für drei Tage in eine SAC-Hütte in die Berge und haben dort ein ‘Digital Detox’ gemacht. Wir haben bewusst auf Handy, Tablet, PC und Co. verzichtet, um uns besser kennenzulernen, z.B. beim Bau eines Iglus. Dieses ist erstaunlich gut gelungen, einige von uns haben sogar darin übernachtet. Der Sternenhimmel war grandios. Es war spannend zu beobachten, dass ich dabei meine digitalen Geräte gar nicht wirklich vermisst habe.»

Fabienne Bischofberger
Iglu  Umgeben von Dunkelheit

Der Blick über den Tellerrand

Während des Praxisjahrs dürfen die Lernenden für zehn Wochen andere Branchen, Prozesse und Unternehmenskulturen kennenlernen. Sie wechseln sozusagen die Perspektive und arbeiten in Partnerbetrieben, etwa als Florist/in EFZ oder als Koch/Köchin EFZ. Dieser befristete Einsatz ermöglicht es ihnen, volks- und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen und die eigenen Fachkenntnisse anzuwenden.

«Ich habe mich entschieden, mein Praktikum im Omnia Coffee zu machen, einem kleinen Coffee Shop in Zürich. Gereizt hat mich dabei, in einer grossen Stadt zu arbeiten und ganz unterschiedliche Kundinnen und Kunden mit köstlichen Kaffeespezialitäten zu versorgen. Da die Inhaberin aus Indonesien stammt, habe ich nebenbei auch sehr viel über die indonesische Kultur erfahren.»

Fabienne Bischofberger
Portrait Café-Mitarbeiterin hinter Tresen

Lernen durch Handeln

Handlungs- und praxisorientierte Fähigkeiten zu fördern ist ein zentrales Anliegen der reformierten KV-Ausbildung. Und wo könnten die Lernenden diese besser trainieren als beim Bearbeiten von realen Aufgabenstellungen? In einem elfwöchigen Block nehmen sie ein echtes Projekt in Angriff, um sich in Projektmanagement, Web-Design, Präsentationstechnik und weiteren Disziplinen zu erproben, führen Kundenbefragungen durch, organisieren einen Event oder entwickeln neue Produkte. Dabei betreut und unterstützt ein/e Coach sie während des gesamten Prozesses.

Fabienne: «Gerade für Lernende, die noch nie ein Projekt von A bis Z geleitet haben, ist die Möglichkeit, Wissen über Projektmanagement zu erlangen und durch edupool zertifizieren zu lassen, sehr wertvoll. In einer Dreiergruppe haben wir für die Bühler Group analysiert, ob sich fürs Unternehmen die Lernenden Akquise via Tiktok lohnt. Nach der Ausarbeitung des Projektes sind wir zum Entschluss gekommen, dass sich ein TikTok Account für die Bühler Berufsbildung lohnen würde. Ein Account wurde zu einem späteren Zeitpunkt von der Berufsbildung erstellt und wird nun erfolgreich betrieben.»

Internationale Erfahrungen sammeln

Für viele Jugendliche ist die Reise ins englischsprachige Ausland ein Höhepunkt des Praxisjahrs. Während 18 Wochen leben sie in einer fremden Kultur, weit weg von der gewohnten Umgebung. Ehe sie im kaufmännischen Umfeld ein Praktikum absolvieren, besuchen sie in Tralee (Südwest-Irland) für 14 Tage einen Sprachkurs. Bei ihrer Gastfamilie können sie ihr Englisch zudem auch im privaten Bereich weiter verfeinern. So sind sie gut gerüstet für den Abschluss des Auslandaufenthaltes: ein CAE «Advanced» (C1) oder CPE «Proficiency» (C2).

Fabienne: «Mein erstes Mal für längere Zeit weg von zuhause; ein grosser Schritt in die Selbständigkeit! Irland hat uns alle verzaubert. Von den malerischen Landschaften, dem wilden Meer bis hin zu den lebhaften Städten gibt es dort so viel zu entdecken. Ich war z.B. in traditionellen Pubs und an einem Gaelic Football Match, hatte Yoga-Unterricht und ging ins Gym. Ich hatte grosses Glück mit der Gastfamilie, bei der ich mich sehr wohl fühlte. Bei der Arbeit in einem Hotel habe ich Freunde aus verschiedenen Ländern gefunden, die ich gerne bei Gelegenheit besuchen möchte. Schliesslich habe ich das Proficiency erreicht und bin darüber sehr glücklich.»

Wer steht hinter «KV4.0»?

Getragen wird das Projekt vom Verein KV 4.0, der sich aus Mitgliedern von namhaften Lehrbetrieben, dem Amt für Berufsbildung des Kantons St.Gallen und dem Berufs- und Weiterbildungszentrum Wil-Uzwil BZWU zusammensetzt. Die Vereinsmitgliedschaft steht Betrieben aus der Ostschweiz offen, welche das Projekt unterstützen möchten. Zu erwähnen sind hier auch

 

  • die Pädagogische Hochschule St.Gallen, die «KV4.0» im Rahmen eines Forschungsprojektes wissenschaftlich begleitet und evaluiert
  • der Kaufmännische Verband Ostschweiz mit seinem Lehrbetriebsverbund «BerufsLab», der mit «KV4.0» kooperiert sowie
  • die Stiftung Movetia, die Angebote für den Austausch und die Mobilität in der Aus- und Weiterbildung wie «KV4.0» fördert und finanziell unterstützt.

«Ich kann nicht sagen, von was ich am meisten profitiert habe. Alles hatte viel Positives, ich möchte rückblickend keine der Erfahrungen missen. Mich selber besser kennen- und einschätzen zu lernen war sehr bedeutend für mich. Die Vorteile des KV4.0 sind überwältigend. Mein Lehrbetrieb hat mich grosszügig dabei unterstützt, sowohl finanziell wie auch mit Rat und Tat. Dafür bin ich der Bühler Group sehr dankbar.»

Fabienne Bischofberger

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