Homeoffice – Chancen und Herausforderungen einer neuen Arbeitskultur
25.02.2025 von Evelyn Hartmann Reportage
Die Pandemie hat unsere Arbeitswelt nachhaltig verändert. Neue Arbeitsmodelle, die zuvor undenkbar waren, wurden von einem Tag auf den anderen zwangsläufig umgesetzt und haben dabei nicht nur die Herausforderungen aufgezeigt, sondern auch die Chancen. Inzwischen arbeiten viele Menschen ganz selbstverständlich von zu Hause aus – zumindest teilweise. Mehr Flexibilität, mehr Mobilität, mehr Vielfalt lautet das neue Credo. Doch was bedeutet das für den Arbeitsalltag und wie sinnvoll ist Homeoffice für Lernende?

Arbeitsforschung in Zeiten des mobil-flexiblen Büros
Homeoffice ist längst zu einem festen Bestandteil unserer Arbeitswelt geworden. Fortschreitende Digitalisierung sowie Dienstleistungen und Büroarbeiten, die sich von zu Hause oder unterwegs erledigen lassen, machen es möglich. Viele haben das Arbeiten daheim als eine Ressource entdeckt und schätzen es, wenn sie sich das Pendeln sparen können oder mit der Familie zu Mittag essen. Andere befürchten hingegen, dass die Produktivität und das soziale Leben darunter leiden. Einer, der Themen wie mobil-flexibles Arbeiten, Homeoffice oder die Gestaltung von Arbeits- und Büroräumen erforscht, ist der Arbeitspsychologe Professor Hartmut Schulze. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des Bildungsnetzwerkes Aargau Ost zum Thema «New Work», präsentiert der Dozent von der Fachhochschule Nordwestschweiz wichtige Forschungsergebnisse. Zugegen ist auch Vera Keller, HR Business Partner bei der ABB, die über Erfahrungen im Umgang mit Remote Work, d.h. Fernarbeit, berichtet.
Vom eigenen Schreibtisch zur Kreativzone
«Der Mythos, dass Fernarbeit zwangsläufig zu einem Verlust des Teamgeists oder einer geringeren Leistung führt, wurde durch diverse Studien widerlegt,» erklärt Schulze, «Tatsächlich zeigt die Forschung: Wer ab und zu im Homeoffice oder anderswo arbeitet, ist gesünder und zufriedener. Aber natürlich stellen sich neue Herausforderungen. Man begegnet sich ja nicht mehr so leicht per Zufall in der Kaffeestube. Teams müssen sich organisieren, damit klar ist, wie und wo man sich trifft – ob nun virtuell oder vor Ort. Und dann stellt sich auch die Frage, ob es für zwanzig Mitarbeitende noch immer zwanzig Schreibtische braucht. Was ist mit der Raumgestaltung? Grosse Unternehmen bieten für das sogenannte Desk Sharing, also nicht fix zugeteilte Arbeitsplätze, vermehrt unterschiedliche Zonen an. Das können Räume für das kreative Zusammenarbeiten sein, Nischen, in die man sich zurückziehen kann oder Ruhezonen, in denen nicht telefoniert oder gesprochen werden darf.»
Lernende im Homeoffice: Gut vorbereitet?
Damit benötigen Arbeitnehmende zunehmend eine gewisse Raumkompetenz, um den richtigen Ort für die richtige Tätigkeit zu finden. Das Arbeiten zu Hause erfordert darüber hinaus ein höheres Mass an Selbstmanagement. Was sind die heiklen Punkte? «In flexiblen Modellen, in denen zum Teil im Homeoffice und zum Teil in der Firma gearbeitet wird, ist es oft schwieriger, Berufliches und Privates zu trennen», weiss Schulze, «zum einen, weil die Arbeit plötzlich in denselben Räumen stattfindet wie die Freizeit, zum andern wegen der ständigen elektronischen Erreichbarkeit.» Es braucht etwas Übung, um mit solchen Abgrenzungsthemen, mit Ablenkungen und Störungen oder mit Arbeitsorganisation und Kommunikation einen guten Umgang zu finden. Gerade deshalb sollen Lernende, insbesondere der KV- und ICT-Berufe, wie zum Beispiel Kaufmann/-frau EFZ, Informatiker/in EFZ, Interactive Media Designer EFZ oder Mediamatiker/in EFZ besser darauf vorbereitet werden – so die Empfehlung der Kommission Berufliche Grundbildung, KBGB. Doch wie können Berufsbildnerinnen und Berufsbildner Lernende im Homeoffice angemessen begleiten, damit Betreuung und Schutz gewährleistet bleiben? Klare Regelungen, gemeinsam getroffene Absprachen über Arbeitszeiten und Pausen oder die Erreichbarkeit von Kolleginnen und Kollegen für Fragen sind sicherlich essentiell. In der Praxis hat es sich zudem bewährt, mit den Auszubildenden bestimmte Punkte zur Selbstreflektion durchzugehen, schreibt die KBGB in ihrem «Merkblatt Homeoffice» (siehe Infobox später im Artikel).
Pflanzen im Büro: Mehr als nur Deko
Vieles, was für Lernende gilt, trifft auch auf andere Angestellte zu. Schulze ist überzeugt, dass die Pflege einer Feedback-Kultur von grosser Bedeutung ist, da veränderte Arbeitswelten erst einmal für alle Beteiligten – für Führungskräfte genauso wie für Mitarbeitende – Neuland darstellen. «Vorgesetzte sollten wahrnehmen, wer eigenständig gut zurechtkommt und wer mehr Unterstützung benötigt», betont er. «Und es braucht mehr Möglichkeiten zum Austausch für die Arbeitszeit vor Ort wie zum Beispiel kleine Kreativmeetings oder gemeinsame Kaffeepausen, denn bei virtuellen Treffen ist man mehr damit beschäftigt, einander zu sehen. Kreativität entsteht jedoch gerade da, wo man den Blick zwischendurch schweifen lassen kann – das darf man nicht unterschätzen!» Mit einem Lachen fügt er hinzu, «Pflanzen zum Beispiel haben auch auf jene, die keine Pflanzen mögen, einen entspannenden Einfluss. Und das wiederum fördert den kreativen Prozess.»
Kleine Rituale für den Übergang zwischen Arbeit und Freizeit
Viele Firmen haben mittlerweile klare Regelungen festgelegt bezüglich der erforderlichen Präsenz vor Ort und der erlaubten Anzahl Tage im Homeoffice. «Die ABB erlaubt bis zu 80% Fernarbeit», erzählt Keller, «einzelne Teams können auch eigene Regelungen treffen, solange sie sich innerhalb dieser Vorgabe bewegen. Manche legen einen 'Jour Fixe' fest, an welchem alle im Büro anwesend sein müssen. Gerade für neue Mitarbeitende ist der soziale Kontakt vor Ort entscheidend, denn während der Einarbeitungszeit sind sie besonders auf Informations- und Wissensaustausch angewiesen. Zudem sind sie ja gerade erst dabei, ein persönliches Beziehungsnetz aufzubauen.» Und was ist die Empfehlung am Ende des Tages? Schulze meint: «Auch im Homeoffice ist es wichtig, nach getaner Arbeit einen Schlussstrich zu ziehen. Das Herunterfahren des Computers und ein Spaziergang, der das Nachhausekommen symbolisiert, können helfen.»
- Was benötige ich, um konzentriert arbeiten zu können?
- Wie richte ich meinen Arbeitsplatz ein?
- Welche Vorbereitungen treffe ich?
- Bin ich der Typ für Homeoffice? Warum ja, warum nein?
- Was sind die Persönlichkeitsmerkmale, um Homeoffice-Typ zu sein? (z.B. hohe Selbstdisziplin, hohe Konzentrationsfähigkeit, usw.)
- Wo arbeite ich effizienter (Büro oder Homeoffice)? Warum ist das so?
- Persönliche Vor- und Nachteile von Homeoffice
- Homeoffice versus Co-Working-Space oder Bibliothek oder Café/Restaurant
- Wie ist es mir im Homeoffice ergangen (Arbeitsjournal von einem Homeoffice-Tag)? Was habe ich an mir festgestellt?
- Wie oft wurde ich gestört? Warum? Was hätte ich anders machen können?
- Wie schnell habe ich wieder in meine Konzentration gefunden? Habe ich zurückgefunden? Wie habe ich das hingekriegt?
- Waren diese Punkte je nach Arbeitsinhalt unterschiedlich oder spielte der Arbeitsinhalt keine Rolle?
- Wie bin ich mit Pausen umgegangen? Habe ich Pausen gemacht?
Aus dem «Merkblatt Homeoffice» des KBGB