Lernende stärken: Resilienz als Schlüssel zu mehr Widerstandskraft und Lebensfreude
05.11.2024 von Evelyn Hartmann Reportage
In der dynamischen Arbeitswelt von heute ist Resilienz ein vielversprechendes Werkzeug für den persönlichen und beruflichen Erfolg. Doch was braucht es überhaupt, um in Krisensituationen gelassen zu bleiben, nach Rückschlägen wieder aufzustehen und an Herausforderungen zu wachsen? Fachleute aus verschiedenen Sparten sind dem Thema an der Tagung «Betriebliches Gesundheitsmanagement BGM» in Bern auf den Grund gegangen.
Es ist ein überaus reichhaltiger Themenstrauss, den die Gesundheitsförderung Schweiz für die BGM-Tagung 2024 zusammenstellt, denn Resilienz hat viele Aspekte. Während Fachleute und Interessierte, darunter Psycholog/innen FH/UH, Berufsbildner/innen BP, Ernährungsberater/-innen, Führungskräfte und Personalverantwortliche, der Frage nachgehen, weshalb sowohl individuelle als auch unternehmerische Resilienz notwendig ist, versucht Carlo Schneider in seinen live erstellten Zeichnungen, der Sache auf seine Weise auf die Spur zu kommen:
von der Stressbewältigung unserer Vorfahren
über das Gassi-Gehen mit dem «inneren Schweinehund»
bis zum tänzerischen Umgang mit Veränderungen.
Stark durch gegenseitige Unterstützung
«Stress ist ansteckend», weiss Alexander Hunziker, Dozent an der Berner Fachhochschule, Schwerpunkt Positive Psychologie und Achtsamkeit. «Das gilt besonders von oben nach unten. Gestresste Menschen führen schlechter und zeigen weniger Wertschätzung. Unterstützung hingegen macht lösungsorientiert.» Er vergleicht Resilienz mit einem Muskel, der durch gezieltes Training gestärkt werden kann, etwa, indem man sich die eigenen Charakterstärken bewusst macht, achtsam mit sich selbst umgeht und gute Beziehungen pflegt. Aber auch eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf oder freudvolle Freizeitbeschäftigungen tragen zu einer besseren Widerstandskraft bei. «Für den Aufbau einer Resilienz-Kultur in einem Betrieb spielt gerade die psychologische Sicherheit eine entscheidende Rolle, da sie Vertrauen und Offenheit fördert», ist Hunziker überzeugt. «Das gelingt nur, wenn man sich zeigen kann, ohne Angst vor negativen Konsequenzen haben zu müssen. Teams, in denen sich die einzelnen Mitglieder konstruktives Feedback geben und sich gegenseitig unterstützen sind wesentlich belastbarer im Umgang mit Herausforderungen und Stress.»
Jugendliche und ihre besonderen Herausforderungen
In der Zusammenarbeit mit Jugendlichen ist das Thema Resilienz besonders interessant, denn sie befinden sich in einer Lebensphase, in der sie eben erst dabei sind, ihre Identität und Persönlichkeit zu entwickeln, sich selber kennenzulernen und ein soziales Netz aufzubauen. Zudem stellen sie wichtige Weichen für ihre Zukunft, wählen eine Ausbildung, einen Beruf. Sicher ist es nicht ganz zufällig, dass sich bei Job-Stress-Analysen regelmässig zeigt, dass viele Jugendliche unter hoher Belastung leiden. Nora Iannou befindet sich im 2. Lehrjahr zum/zur Fachmann/-frau Gesundheit EFZ und erzählt: «Mir hat das Resilienztraining mit Kitoko-People viel gebracht. Da die Moderatoren und Moderatorinnen selbst jung sind, konnten wir sehr offen reden. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass es völlig normal ist, dass ich während der Ausbildung vieles noch nicht weiss. Vorher hatte ich oft das Gefühl, es sei eine Schwäche, wenn ich Hilfe brauche – jetzt verstehe ich, dass ich nicht perfekt sein muss. In der Garderobe habe ich sogar einen Zettel, der mich daran erinnert, freundlich zu mir selbst zu sein.» Karin Schellmann, Leiterin Bildung in der Concara, ist sich bewusst, dass noch viel Handlungsbedarf besteht, um den Lernenden in der Pflege besser unter die Arme zu greifen. «Wir haben zum Beispiel bemerkt, dass im Alltag häufig die Zeit fehlt für den direkten Lerntransfer. Daher haben wir das Lernatelier ins Leben gerufen, wo wir die Auszubildenden in Ruhe begleiten können. Das ist jedoch nur ein erster Schritt. Darüber hinaus bemühen wir uns, dass Lernende bei Engpässen wirklich nur in Ausnahmefällen einspringen müssen, da dies auf Kosten der Zeit geht, die sie für ihre Erholung brauchen – Zeit, die ohnehin schon begrenzt ist, weil sie ja auch noch lernen müssen. Solche strukturellen Massnahmen können helfen, die ohnehin bereits stark beanspruchten Lernenden zu entlasten.»
Fit fürs Leben
Auch Markus Renevey, Gründer und Geschäftsführer der Swiss Resilience Hub AG, widmet sich intensiv der Arbeit mit Jugendlichen und entwickelt in Zusammenarbeit mit verschiedenen Projektpartnern «Resilienzprogramme für Lernende». «Es geht nicht ums Können müssen, sondern ums Ausprobieren dürfen», betont Renevey. «Um eine selbstbestimmte Entwicklung zu fördern ist es wichtig, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse regelmässig wahrzunehmen. Zudem ist es entscheidend, sowohl für das psychische als auch für das physische Wohl zu sorgen. Im Weiteren sollte man wissen, was einem gut tut, und bereit sein, diese Erkenntnisse in die Tat umzusetzen. Dieser Ansatz bildet den Schlüssel zu echter Resilienz, und der Weg dorthin beginnt immer wieder neu – mit dem nächsten kleinen Schritt. So entstehen nicht nur die grössten Fortschritte, sondern auch die nachhaltigsten Entwicklungen.» Und wer fit ist für die Herausforderungen bei der Arbeit, ist auch fit fürs Leben!