Vom analogen Stempeldruck zur digital gedruckten Postkarte – wenn die Lücke zum Glück(e) wird

19.11.2024 von Evelyn Hartmann Reportage

Ihr Werdegang ist so einzigartig wie die Sujets ihrer Kunstpostkarten: Die Créatrice Mirjam Knecht Wäger stellt ihr ästhetisches Auge nicht nur als innovative Shop-in-Shop Inhaberin, Designverkäuferin, Coiffeuse und vor allem Kunstschaffende unter Beweis, sondern setzt ihre Kreativität auch gleich zur Gestaltung ihres ganz persönlichen Lebenswegs ein. Wie sie von der Lücke zum «Glückchenfüller» und von da in die faszinierende Welt des Drucks gefunden hat, erzählt sie uns bei einem Besuch in ihrem Atelier.

Mirjam Knecht im Atelier
©Glückchenfüller.ch

Ihr Werdegang ist so einzigartig wie die Sujets ihrer Kunstpostkarten: Die Créatrice Mirjam Knecht Wäger stellt ihr ästhetisches Auge nicht nur als innovative Shop-in-Shop Inhaberin, Designverkäuferin, Coiffeuse und vor allem Kunstschaffende unter Beweis, sondern setzt ihre Kreativität auch gleich zur Gestaltung ihres ganz persönlichen Lebenswegs ein. Wie sie von der Lücke zum «Glückchenfüller» und von da in die faszinierende Welt des Drucks gefunden hat, erzählt sie uns bei einem Besuch in ihrem Atelier.

Von Kunstpostkarten und Trockenblumengestecken

«So ungefähr alle zwei Jahre brauche ich in meinem Leben eine Veränderung», lacht Mirjam Knecht Wäger und zeigt an den Postkartenständern vorbei zu den Trockenblumengestecken, die sich vor einer geschmackvoll rot gestrichenen Wand in ansprechendem Bunt abheben. Wie so vieles hat sie sich auch das Arbeiten mit getrockneten Naturmaterialien selber beigebracht. Dass hier eine Frau mit einem ausserordentlichen Flair für Farben und Formen am Werk ist, liegt auf der Hand. Aber von vorn. gateway.one besucht Frau Knecht Wäger wegen ihrer Postkarten, die sie sozusagen als Druck-im-Druck herstellt und vertreibt. In liebevoller Kleinarbeit schnitzt sie erst verschiedene Stempel, druckt dann Vorlagen für Postkarten und lässt diese schliesslich in einer Druckerei professionell vervielfältigen. In der Schweiz ist sie aktuell die einzige Künstlerin, die mit Stempeldruck arbeitet. «Das Schnitzen ist reine Handarbeit – das funktioniert ganz ähnlich wie beim Linolschnitt, ausser dass ich spezielle Gummiplatten dazu verwende, die viel weicher sind», erklärt die Selfmade Woman und Betreiberin des Postkarten-Shops Glückchenfüller, «danach färbe ich sie ein und erstelle im Stempeldruck – immer noch analog – die einzelnen Sujets. Wenn ich das Bild eingescannt habe, kann ich es digital im Photoshop retuschieren und die Kartenmotive mit diesem Programm fertig gestalten. Für die Produktion schicke ich das PDF-Profil an die Druckerei, und zurück kommen dann die im Digitaldruck produzierten Postkarten. Schön in 10er Bündeli, das erleichtert mir später den Vertrieb.»

Postkartenangebot bei Glückchenfüller
©Glückchenfüller.ch

Stempeldruck trifft auf «ElectroInk» – ein Blockbuster!

Es ist schnell zu spüren, dass sich die ursprünglich gelernte Coiffeuse EFZ einiges an Druckerei-Know-how angeeignet hat. «Das Papier muss bei meinen Karten ungestrichen sein. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass das PDF-Profil auf uncoated eingestellt ist, sonst saugt es zu wenig Farbe auf – das Ergebnis sind dann Pastelltöne anstatt der sorgfältig konzipierten satten Farben», weiss Knecht Wäger. «Auch die Papierlaufrichtung ist zu berücksichtigen, weil die Karten sich sonst biegen.» Zu Beginn liess sie ihre Postkarten im Offsetdruck herstellen, das hatte allerdings den Nachteil, dass von jedem Postkarten-Sujet nur eine fixe Stückzahl produziert werden konnte, 500 oder 1000 Exemplare, unabhängig davon, wie gut sich die einzelnen Motive verkauft haben. «Der Digitaldruck ist da wesentlich flexibler», berichtet Knecht Wäger. Inzwischen arbeitet sie eng mit der Druckerei Kasimir Meyer AG zusammen, die sich durch viel Liebe zum Detail auszeichnet. Zudem macht «Kasi» sich für den Nachwuchs der Druckereiberufe stark und bildet Polygraf/-innen EFZ, Medientechnologe/-innen EFZ (Fachrichtung Print) sowie Druckausrüster/-innen EFZ aus. Knecht Wäger ist sichtlich begeistert von den vielseitigen Möglichkeiten der HP Indigo-Druckmaschine, welche die sogenannte «ElectroInk»-Technologie verwendet. Der Flüssigtoner erzielt auf verschiedensten Papierarten eine hohe Brillanz in einem grossen Farbraum. Wie das aussieht, wenn künstlerischer Stempeldruck auf modernste Drucktechnik trifft, zeigt der spannende iMovie «HP Indigo Prints Glückchenfüller».

Wenn in den Lücken plötzlich kleine Kunstwerke entstehen

Aktuell bietet Knecht Wäger sowohl im Direktverkauf in ihrem Atelier als auch auf Bestellung im Online-Shop 272 Postkarten-Sujets an. Um die Aufträge speditiv abwickeln zu können, bedarf es einer guten Logistik. «Das alte Postsortierregal habe ich zum Schnäppchenpreis bei Ricardo ersteigert», erzählt sie zufrieden und zeigt uns ihr ausgeklügeltes System, «die einzelnen Fächer fülle ich jeweils mit je sieben 10er-Bündeli pro Motiv auf. Wenn ich alles einzeln abzählen muss, werde ich kaum noch fertig.» Aber wie ist die findige Künstlerin überhaupt zum Stempeldruck gekommen? Knecht Wäger holt etwas weiter aus: «Nach der Bezirksschule wollte ich den gestalterischen Vorkurs der Kunstgewerbeschule machen, aber meine Eltern drängten auf einen Beruf mit sicherem, regelmässigem Einkommen. Beim Coiffeur Friedli ging ich dann hauptsächlich Schnuppern, weil dabei ein Gratis-Haarschnitt raussprang. Doch dann wurde mir dort völlig überraschend der rote Teppich ausgerollt und als nicht so gute Bezirksschülerin war es ein echt tolles Gefühl, so viel Wertschätzung zu erhalten! Deshalb habe ich mich für die Lehre zur Coiffeuse EFZ entschieden. Im Nachhinein bin ich froh darüber, denn ich bin früh Mutter geworden und konnte so problemlos Teilzeit arbeiten. Den Beruf habe ich übrigens 32 Jahre lang ausgeübt. Nach der Lehre konnte ich trotzdem noch an der Kunstgewerbeschule den gestalterischen Vorkurs absolvieren und danach zusätzlich ein Jahr hospitieren. Daraufhin habe ich mich selbständig gemacht und einen Shop-in-Shop betrieben, mit französischen Designerartikeln im Friseursalon. Anfang 2016 entschied ich mich aus gesundheitlichen Gründen, nicht mehr zu färben und zu bleichen. So ergaben sich in meinem Arbeitsalltag immer wieder Lücken. Mit Acrylfarben im Salon zu malen hat sich nicht angeboten; deshalb habe ich angefangen, zwischen den Friseurterminen als Lückenfüller Stempel zu schnitzen, eine wahrlich glückliche Fügung. So entstand der ‘Glückchenfüller’.»

Vom Mut, auf das eigene Herzen hören

Heute ist sich die Créatrice und zweifache Mutter sicher, dass man bei der Berufswahl mehr aufs Herz hören sollte als darauf zu achten, was man später verdient. Zudem ist Knecht Wäger überzeugt, dass das Team wichtiger ist als die Arbeit selbst. «Es bringt nichts, wenn man zwar das tut, was man gerne tut, aber das Team dabei nicht passt.» Und sie findet, man sollte einfach mal mit etwas anfangen, auch wenn es vielleicht noch nicht so ganz das Richtige ist. Apropos: Wie sieht es finanziell aus mit den Postkarten, kann man davon leben? Knecht Wäger schmunzelt: «Seit drei Jahren ja, aber sehr bescheiden. Es ist natürlich eine Frage des Lebensstils und der Fixkosten. Mein Mann hat als Berufsschullehrer ein regelmässiges und sicheres Einkommen, das entspannt mich und nimmt etwas Druck weg. Mir ist aber trotzdem sehr wichtig, nicht von ihm abhängig zu sein. Seit Kurzem arbeite ich zusätzlich drei Tage pro Woche an einer Schule als Klassenassistenz – neben dem regelmässigen Lohn geniesse ich es, wieder mehr unter Leuten zu sein und eine Tagesstruktur zu haben.» Die Tage im Atelier in der Spinnerei in Turgi können tatsächlich etwas einsam sein. Ausser natürlich, wenn sich wieder eine Gruppe von Interessierten zu einem Stempelschnitzkurs einfindet. Und was ist das Allerschönste an ihrer Arbeit? Knecht Wäger antwortet ohne zu zögern: «Wenn ich mit den Postkarten an einem Weihnachtsmarkt oder einer Messe bin und die Menschen an meinem Stand kichern höre!» Tatsächlich zaubern ihre witzigen Postkarten-Motive auch uns ein Lächeln ins Gesicht, als wir die Wundertüten mit zwanzig zufällig ausgewählten Postkarten öffnen, die sie uns verschmitzt noch schnell zusteckt, ehe wir uns auf den Heimweg machen.

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