Vom rohen Ton zur Töpferei – Wenn Ideen Gestalt annehmen
01.10.2024 von Rebecca Pozzoli Reportage
Regina Salzmann ist freie Keramikerin EFZ und gibt ihr umfangreiches Wissen in Kursen an interessierte Laien weiter. Sie befasst sich schon seit vielen Jahren mit dem Material Ton und dessen Verarbeitung zu attraktiver Keramik: «Töpfern ist therapeutisch, meditativ und macht Spass! Gleichzeitig handelt es sich jedoch auch um harte körperliche Arbeit, die viel Disziplin erfordert, um eine kostendeckende Produktion zu garantieren.»
In ihrem Atelier Keramik Akzente im schönen Burgdorf betont Regina Salzmann die Sonnenseiten von handgefertigter Töpferkunst: «Das Essen und Trinken aus filigranen Tontellern und Gefässen hat eine ganz besondere Qualität. Porzellankeramiken galten in Europa schon im Mittelalter als exotisches Luxusgut aus dem fernen China und wurden als Symbol für Reichtum und gehobenen sozialen Status gehandelt. Doch auch heute erfreuen sie sich noch grosser Beliebtheit. Denn sie sind trotz ihrer zarten, durchscheinenden Qualität äusserst langlebig und robust.»
Klumpen für Klumpen eine Töpferkarriere aufbauen
Regina Salzmanns Karriere gleicht einem Krüglein, das mit der sogenannten Würstchentechnik geformt worden ist: Tonklumpen auf Tonklumpen zu Würstchen verarbeitet und aufeinander aufgereiht, ist mit den Jahren ein Gefäss voller Wissen und Erfahrungen entstanden, aus dem Salzmann heute den Wissensdurst von interessierten Laien stillt. Schon als junge Frau hat sie gerne getöpfert und sich deshalb entschlossen, bei Margrit Linck in Zollikofen eine Lehre als Keramiker/in EFZ zu machen. Darauf folgte ein Kunststudium an der Fachhochschule für Gestaltung Kiel (D), in welchem sie gelernt hat, ihrer Kreativität künstlerischen Ausdruck zu verleihen. Doch selbständiges Kunstschaffen und Familie waren schwierig unter einen Hut zu bringen, weshalb Salzmann zugunsten von geregelten Arbeitszeiten und Einkommen an der Schule für Gestaltung Aargau einen Lehrauftrag annahm und schliesslich die Keramikwerkstatt-Leitung der Stiftung Intact in Burgdorf übernahm. Dort zeigte sie langzeitarbeitslosen Menschen das Töpfern und produzierte mit ihnen Töpferware, die sie dann gemeinsam verkauften. Seit 2022 arbeitet Salzmann als freie Keramikerin und leitet in ihrem Atelier Kurse, in denen sie Neulingen die Freude an der Tonverarbeitung vermittelt und sie mit dem Material Ton vertraut macht.
Mit Ton eine eigene Welt schaffen
Ton bietet nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für kreativen Ausdruck. Keramikerinnen und Keramiker können ihren Ideen und Vorstellungen Gestalt verleihen, indem sie diese in physische Objekte umsetzen. Dabei entwickeln sie ihre künstlerischen Fähigkeiten ständig weiter. Regina Salzmann ist vom Material begeistert: «Ich liebe das Material Ton und drehe damit leidenschaftlich gerne. Jedes Gefäss aus meiner Produktion ist ein Einzelstück. Mir ist wichtig, dass auch in einem seriellen Teil die Unmittelbarkeit und Präsenz des Einzelstücks spürbar ist. Damit kann im regelmässigen Gebrauch die Kraft des Augenblicks erlebbar werden.» Mit Hilfe einer Töpferscheibe, durch Handaufbau oder mit Formen gibt sie dem Ton die gewünschte Form und wandelt ihn zu Geschirr, Skulpturen, Vasen und andere Gebrauchsgegenständen. Diese lässt sie langsam und gleichmässig trocknen, um Risse oder Verformungen zu vermeiden. Die getrockneten Tonstücke brennt sie daraufhin in ihrem Elektroofen über Nacht, erst in einem Schrühbrand, um die Form zu festigen, dann folgt ein Glasurbrand, nachdem die Glasur aufgetragen worden ist, um den Keramikstücken Farbe, Glanz und eine wasserundurchlässige Oberfläche zu verleihen.
Mit der Töpferei wird man nicht reich, aber glücklich
Keramikerinnen und Keramiker werden mit den Jahren reich an Erfahrungen – finanzieller Reichtum ist mit dem Gewerbe jedoch nur schwer zu erlangen. Denn für Selbständige ist es oft schwierig, ihre Kosten zu decken und ein stabiles Einkommen zu erzielen. Brennöfen, Töpferscheiben und andere spezialisierte Ausrüstungen sind teuer in der Anschaffung und im Unterhalt. Auch die Rohstoffe für Keramik, insbesondere hochwertige Tonarten und Glasuren, können teuer sein. Die Herstellung von Keramik ist zeitintensiv. Jeder Schritt, vom Formen über das Trocknen bis hin zum Brennen und Glasieren, erfordert Sorgfalt und Geduld, was die Produktionskapazität begrenzt. Viele Konsumenten bevorzugen billigere, industriell gefertigte Produkte. Selbst wenn handgefertigte Stücke qualitativ hochwertiger sind, ist es schwer, Preise zu verlangen, die die Kosten und den Aufwand widerspiegeln. Handwerklich begabte Menschen jedoch, für die der finanzielle Erfolg eher sekundär ist, können als Keramiker/in EFZ durchaus ihr Glück finden. Denn die taktile Natur des Tons und das wiederholende Formen haben eine beruhigende, meditative Wirkung. Sie helfen, Stress abzubauen und einen Zustand der Achtsamkeit zu fördern. Die Kombination aus kreativem Schaffen, handwerklichem Geschick und der Möglichkeit, etwas Einzigartiges und Schönes zu erschaffen, macht die Arbeit mit Ton zu einer besonders schönen und erfüllenden Tätigkeit.
Keramik hat viele Gesichter
Es gibt verschiedene Sorten von Ton, die sich in ihrer Zusammensetzung, Farbe, Plastizität und Brenntemperatur unterscheiden. Hier sind einige der wichtigsten Tonarten, die in der Töpferei verwendet werden:
Töpferton (Irdenware): Weisser, roter oder brauner Ton mit weicher, leicht zu verarbeitender Konsistenz, porös. Eignet sich v.a. für Blumentöpfe, Ziegel, Geschirr und dekorative Gegenstände. Wird bei 1000°C gebrannt.
Steingut: Ton, der zwischen Töpferton und Porzellanton eingeordnet werden kann, hellgrau bis beigefarben, sehr feuerbeständig und grobkörnig ist. Eignet sich v.a. für Schamotten (feuerfeste Ziegel), Brennofenkomponenten, Fliesen, Sanitärkeramik oder Isolatoren. Wird bei 1200°C gebrannt und muss glasiert werden, damit er dicht wird.
Steinzeugton: Grauer, beiger oder brauner Ton mit hoher Plastizität und feiner bis grober Körnung. Eignet sich v.a. für robustes Geschirr, Skulpturen und andere funktionale und dekorative Objekte. Wird bei 1280°C gebrannt und muss nicht glasiert werden, um dicht zu sein.
Porzellanton: Weisser, sehr feinkörniger Ton mit hoher Plastizität, transluzent (durchsichtig) nach dem Brennen. Eignet sich für hochwertiges Geschirr, Kunstobjekte, feine dekorative Stücke. Wird bei 1300°C gebrannt und schwindet dabei um rund 18%. Die Bearbeitung auf der Scheibe ist vergleichsweise heikel, denn der Ton kann sich verziehen.
Die Wahl des Tons hängt stets vom gewünschten Endprodukt und den spezifischen Anforderungen des Töpferprozesses ab. Jede Tonsorte hat ihre eigenen Eigenschaften und bietet verschiedene Möglichkeiten für kreatives Arbeiten.