Von Müll zu Wärme und Strom: Nachhaltige Abfallverwertung in der KVA Weinfelden
17.12.2024 von Rebecca Pozzoli Reportage
Stell dir vor, dein Abfallsack verwandelt sich in eine unsichtbare Kraft, die deine Wohnung heizt und deine elektronischen Geräte am Laufen hält. Klingt wie Zauberei? Die Kehrichtverwertungsanlage Weinfelden tut genau das. Mechaniker/innen und Heizwerkführer/innen arbeiten sich hier täglich durch Unmengen von Abfällen und leisten dabei einen bedeutenden Beitrag zur Fernwärme- und Energieversorgung sowie zur Reduzierung von Deponiemüll.
Die Schweiz gilt in der Abfallentsorgung als Vorreiter, weil das Land eine gut entwickelte und nachhaltige Strategie verfolgt, die auf Minimierung, Recycling und effiziente Energiegewinnung setzt. Hier werden Abfälle nicht wie in anderen Ländern ins Meer gekippt oder in Erdlöchern verscharrt, sondern pausenlos in rund dreissig hochtechnisierten Kehrichtverwertungsanlagen in Fernwärme und Energie umgewandelt. Eine dieser Anlagen ist die KVA Thurgau in Weinfelden. Hier werden sowohl Privathaushalts- wie auch Baustellen- und Industrieabfälle aus dem Kanton Thurgau entsorgt. Das Angebot reicht sogar über die Landesgrenze hinaus nach Deutschland. Denn es macht durchaus Sinn, dass die süddeutschen Grenzgemeinden wie Konstanz und Singen ihren Müll nicht bis nach Stuttgart transportieren müssen, sondern bequem per Zug in der Nähe entsorgen können.
Effiziente Abfallentsorgung, so geht’s!
Sobald der Abfall von den Haushalten, den Baustellen und Industrien gesammelt ist, beginnt für die KVA Weinfelden ihr Einsatz: Die Anlieferung ist spektakulär – Lastwagen und Güterzüge voller Abfälle, die nicht mehr weiterverwertbar sind, werden im riesigen Bunker entleert. Grössere Einheiten wie z.B. Sofas werden erst geschreddert, dann in einer grossen Halle, die vollkommen geruchsdicht ist, gelagert. Dort warten sie darauf, mit einer riesigen Greifkralle gefasst und ins Herzstück der Anlage, die Verbrennungsöfen transportiert zu werden. Alle 15 Minuten muss eine Ladung in die Öfen verfrachtet werden, sonst wird der Brennprozess gestört. Da die Abfälle unterschiedlich gut brennen, sitzt eine erfahrene Person an der Greifkralle und mischt die unterschiedlichen Stoffe so, dass in den Öfen eine konstante Brenntemperatur von ca. 1'000 Grad Celsius gewährleistet ist. Die Verbrennung ist ein gut kontrollierter, hochtechnologischer Prozess, nach dem nur noch ein kleiner Anteil Schlacke übrigbleibt, ca. 1.3 Kilo pro 35-Liter-Sack. Diese Überreste werden zu den Schlackedeponien transportiert und dort gefiltert, um die Metallteile, die bei 1'000 Grad nicht geschmolzen sind, zurückzugewinnen. Was am Ende übrig bleibt, ist ein staubiges Pulver, das auf den Deponien endgelagert wird.
Wenn aus «Güsel» Wärme und Strom wird
Die wahre Magie geschieht jedoch nicht durch die Gewinnung der Schlacke, sondern durch die Nutzung der bei der Verbrennung entstehenden Wärme. Nach dem Brennofen strömen die heissen Verbrennungsgase durch den sogenannten Kessel, in welchem Wasserrohre installiert sind. Dort erhitzt sich das Wasser auf 400 Grad Celsius und verdampft daraufhin. Und dieser Dampf hat Kraft! Er treibt eine Turbine an, die wie ein kleines Kraftwerk Strom erzeugt. Allein die KVA Weinfelden produziert so viel Energie, dass sie tausende Haushalte mit Strom und Fernwärme versorgen kann. So wird der Müll zum echten Energielieferanten und hilft, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern – ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft. Und das ganz ohne stinkende, dicke Rauchschwaden, denn die KVA verwendet modernste Filtertechnologien, um schädliche Emissionen drastisch zu reduzieren. Hier wird nicht nur verbrannt, sondern so aufbereitet, dass Schadstoffe nahezu keine Chance haben, in die Umwelt zu gelangen. Die Abgasreinigung erfolgt durch eine Kombination von Filtern, die unterschiedliche Schadstoffe auffangen. Was übrig bleibt, sind gereinigte Abgase, die den strengen Schweizer Umweltvorschriften entsprechen. So bleibt die Luft sauber, und die Anlage kann trotzdem Höchstleistungen in der Abfallverwertung und Energieproduktion erzielen.
Die Zauberer und Zauberinnen der KVA heissen «Heizwerkführer/in BP»
Die KVA Weinfelden beschäftigt Mitarbeitende mit ganz unterschiedlichem Hintergrund: Mechaniker/innen (z.B. Metallbauer/innen EFZ), Fachleute Reinigungstechnik EFZ, Kaufleute EFZ im Büro, und Fachleute mit Studienabschluss in der Geschäftsleitung, z.B. Energie- und Umwelttechnikingenieure/-innen FH. Aber auch Lernwillige ohne einschlägige Ausbildung haben hier die Möglichkeit, eine sinnvolle Betätigung zu finden. Sie folgen den versierten Mitarbeitenden und lernen ihr Handwerk on the Job durchs Zusehen und Mithelfen. Wer dann gerne die Schichtleitung übernehmen möchte, bildet sich zum/zur Heizwerkführer/in BP weiter. Diese sind für den Betrieb, die Überwachung und die Wartung der Verbrennungsöfen verantwortlich. Zu ihren Hauptaufgaben gehört es, die Öfen zu steuern, um die erforderlichen Temperaturen und Druckverhältnisse aufrechtzuerhalten. Sie überwachen die Messinstrumente, kontrollieren den Energieverbrauch und sorgen dafür, dass Störungen im Betrieb schnell erkannt und behoben werden. Kleinere Reparaturen führt die eigene Werkstatt selbst durch, während grössere Instandhaltungsmassnahmen oft in Zusammenarbeit mit spezialisierten Fachfirmen organisiert werden. Neben der technischen Arbeit dokumentieren die Heizwerkführer/innen mit eidg. Fachausweis den Betrieb, führen Protokolle über Störungen oder den Energieverbrauch und erstellen Berichte für die Geschäftsleitung oder zuständige Behörden.
Allemal einen Besuch wert
Die KVA Weinfelden ist eine wahre «Green Power»-Anlage. Ihre Technologie und ihre Effizienz sind ein Musterbeispiel dafür, wie die Schweiz mit Abfall umgeht – und das auf eine Weise, die weltweit für Aufsehen sorgt. Was zeigt, dass Müll nicht einfach das Ende des Konsumzyklus ist, sondern der Beginn einer nachhaltigen Energienutzung – als Licht und Wärme in unseren Wohnungen, Häusern und Betrieben.
Die Kehrichtverwertungsanlage (KVA) Thurgau in Weinfelden beschäftigt rund 70 Mitarbeitende in der Kehrichtverwertungsanlage, den Regionalen Annahmezentren in Hefenhofen und Weinfelden sowie der Deponie Berg. Seit 28 Jahren wird hier rund um die Uhr Abfall auf umweltfreundliche Art verwertet, indem daraus Energie in Form von Wärme und Strom produziert wird. Ungefähr alle dreissig bis vierzig Jahre geht der Lebenszyklus einer Anlage wie die KVA zu Ende. Deshalb wird bereits heute eine neue, technisch noch ausgeklügeltere Anlage geplant, welche die heutige KVA im Jahr 2031 ersetzen wird und Fernwärme bis nach Konstanz liefern kann.
Umweltschutz im Klassenzimmer
Die Stiftung Pusch unterstützt Lehrpersonen mit ihren Schulangeboten dabei, aktuelle Umweltthemen im Unterricht aufzunehmen um den Kompetenzerwerb im Fachbereich Natur, Mensch und Gesellschaft (NMG) sowie in den fächerübergreifenden BNE-Themen «Natürliche Umwelt und Ressourcen» und «Wirtschaft und Konsum» zu stärken. Expertinnen und Experten zeigen den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe im Workshop «Abfall, Konsum, Littering» während drei Lektionen stufengerecht und praxisnah auf, wie Abfall vermieden wird, warum Glas anders entsorgt werden soll als Kunststoff und welcher Müll wie rezykliert wird. Als Vertiefung kann der Unterricht an manchen Orten mit einer Besichtigung der Kehrichtverwertungsanlage kombiniert werden – auch möglich in der KVA Weinfelden. Hier steht, ob sich deine Gemeinde für kostenlosen Umweltunterricht qualifiziert.