Zickzack-Muster im Lebenslauf

16.12.2022 von Rebecca Pozzoli Reportage

Gute Nachrichten aus Bundesbern. Denn die wenigsten Menschen kommen mit einer klaren Vision auf die Welt, wohin sie ihr Leben führen soll. Umwege, Kurven, Sackgassen im Lebenslauf sind eher die Regel als die Ausnahme. Trotzdem haben Personalabteilungen lange Zeit diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten bevorzugt, die mit einem roten Faden im Lebenslauf glänzen konnten. «Überholt», meint Helene Budliger Artieda, Staatssekretärin des SECO: «Heute setzen wir auf Karrieren mit einem Zickzack-Muster».

Helene Budliger Artieda

Gute Nachrichten aus Bundesbern. Denn die wenigsten Menschen kommen mit einer klaren Vision auf die Welt, wohin sie ihr Leben führen soll. Umwege, Kurven, Sackgassen im Lebenslauf sind eher die Regel als die Ausnahme. Trotzdem haben Personalabteilungen lange Zeit diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten bevorzugt, die mit einem roten Faden im Lebenslauf glänzen konnten. «Überholt», meint Helene Budliger Artieda, Staatssekretärin des SECO: «Heute setzen wir auf Karrieren mit einem Zickzack-Muster».

An der diesjährigen Herbsttagung des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) plaudert Helene Budliger Artieda, Staatssekretärin des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO, bezüglich dem Thema Personalauswahl aus dem Nähkästchen. Und sie muss es wissen, denn sie war mehrere Jahre mitverantwortlich für die Auswahl von zukünftigen jungen Diplomatinnen und Diplomaten.

Nachdem Budliger Artieda die Handelsmittelschule in Zürich abgeschlossen und sich zur konsularischen Mitarbeiterin weiterbilden lassen hatte, zog es sie für ein Studium der Betriebswissenschaften nach Kolumbien. Im Jahr 2006 wurde sie schliesslich zur EDA-Finanzchefin und 2008 zur ersten weiblichen Amtsdirektorin in der Geschichte des Aussendepartements. Als Direktorin für Ressourcen war sie fortan Personalchefin aller Botschafterinnen und Botschafter. In dieser Funktion hat sie auch mitbestimmt, wer die eidg. anerkannte Ausbildung zur/zum Diplomat/in absolvieren durfte.

Für diese Ausbildung melden sich jährlich mehrere hundert interessierte Personen. Doch Diplomat/in ist kein Beruf wie jeder andere. Am Beginn der Karriere steht eines der strengsten Aufnahmeverfahren überhaupt, der sogenannte Concours diplomatique. Nur ein gutes Dutzend Personen werden pro Jahr für diesen anspruchsvollen Ausbildungsgang ausgewählt. Lange waren es ausschliesslich höchst fokussierte junge Talente bis maximal 30 Jahre, wobei jüngere Bewerberinnen und Bewerber bevorzugt behandelt worden sind. Doch das hat sich in den letzten Jahren geändert. Man gebe heute bewusst auch älteren Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern eine Chance.

Gründe dafür, weshalb ein beruflicher Lebenslauf nicht ganz so geradlinige verlaufen ist, wie dies möglich gewesen wäre, gibt es viele: erst spät gemerkt, dass Schule Spass machen kann, ein abgebrochenes Studium, häufige Berufswechsel, lange Auszeiten wegen Familie, Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Doch was früher als Mangel gewertet worden ist, wird heute genauer unter die Lupe genommen und kann zum herausstechenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz werden. Wichtig ist, dass die Bewerbenden ihre Entscheidungen und Geschichte reflektieren und etwas daraus gelernt haben. Wenn mutige, flexible, innovative Improvisationstalente für eine freie Stelle gesucht werden, können Quereinsteiger oder Kandidatinnen, die Umwege über andere Branchen genommen haben, nicht selten spannende Kompetenzen und neue Perspektiven einbringen.

Aus diesem Grund habe sich auch der Bundesrat dazu entschieden, die Diplomaten-Karriere für qualifizierte Personen von aussen zu öffnen, da es den angestammten Diplomatinnen und Diplomaten zum Teil an Führungsstärke und Spezialwissen fehle. Jetzt können sich für den Concours diplomatique auch ältere Quereinsteiger/innen bewerben, zum Beispiel Manager aus der Privatwirtschaft oder Bundesangestellte aus anderen Departementen.

Das zeigt eindrücklich auf, dass Engagement für die meisten Karrieren wichtiger ist als ein homogener Lebenslauf. Wenn man selbst überzeugt ist von dem, was man tut, dann kann man auch andere von sich überzeugen. Ob freiwillige Auszeit, Kündigung und Arbeitslosigkeit, verzögerter Berufseinstieg oder eine psychische Erkrankung; das alles sind nicht per se Mängel im Lebenslauf, wenn man sich danach proaktiv umorientiert und um Alternativen bemüht. Zickzack-Muster im Lebenslauf signalisieren, dass die Person Mut hat, nicht vor Veränderungen zurückgeschreckt ist, Erfahrungen sammeln konnte und sich der Angst vor dem Scheitern gestellt hat. Sie hat die Augen offengehalten und den Blick über den Tellerrand gewagt, flexibel auf Schicksalsschläge reagiert und Chancen beim Schopf gepackt. Budliger Artieda ist überzeugt, dass es diese Personen sind, die die Schweizer Arbeitswelt in Zukunft nachhaltig prägen.

Gründe dafür, weshalb ein beruflicher Lebenslauf nicht ganz so geradlinige verlaufen ist, wie dies möglich gewesen wäre, gibt es viele.

Budliger Artieda

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